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Das Bali-Kino 1 ist in diesem Sommer aufwendig renoviert worden: Der Saal mit seinen 163 Plätzen verfügt jetzt über eine Loge
mit 23 bequemen Sitzgelegenheiten – darunter auch sechs für Pärchen.
Langsam dreht der Vorführer an einem
Rad – das Theater verdunkelt sich.
Schon summt die Maschine wie ein
Uhrwerk. Fast pausenlos rollen Wochenschau,
Kulturfilm und Hauptfilm vorbei.
Wir sind Zeugen großer Ereignisse aus
aller Welt, die erst vor wenigen Stunden
geschahen, erleben sie fast ebenso, als
wären wir selbst dabei gewesen.“ So beschrieb
ein Redakteur des Cuxhavener
Tageblattes im Jahr 1938 eine Vorstellung
in den legendären „UT-Lichtspielen“ an
der Annenstraße. Er durfte Filmvorführer
Helmut Pampus bei der Arbeit über
die Schulter schauen.
Wie die Zeiten sich doch ändern: Erst vor
wenigen Wochen wurde der große Saal
vom Bali-Kino-Center in Cuxhavens Innenstadt
von Grund auf saniert. Blau
leuchten dort seitdem LED-Lampen und
tauchen den Kino-Saal in ein dezentes
Licht, das via Schaltpult je nach Bedarf
und Stimmung auch farblich variiert werden
kann. Filmrollen und Streifen aus Zelluloid
gehören im Bali schon seit Jahren
der Vergangenheit an. Die Filme werden
heute auf Festplatten angeliefert. Doch
eines erlebt im neuen Bali-Kino eine Renaissance:
In der neu geschaffenen Loge
gibt es wieder Pärchensitze, die zum Kuscheln
einladen.
Wer die Cuxhavener Kinogeschichte aufrollen
wollte, der müsste wohl mit dem „Kinematographen“
beginnen, den Gastwirt
August Hindenburg neben dem „Deutschen
Haus“ an der Nordersteinstraße
betrieb. Dort wurden vor dem Ersten
Weltkrieg die albernsten Klamotten gespielt,
während in dem seriösen Haus an
der Deichstraße Asta Nielsen und Henny
Porten ihre Triumphe feierten. Weiter zurückgeblättert
in den alten Bänden vom
März 1901, versprechen Zeitungsinserate
„Lebende Fotografien“, während „Glockes
Hotel“ nur vier Jahre später mit „Electro-
Biographischen“ Vorführungen lockte.
Von glanzvollen Kinotagen konnte Anfang
des 20. Jahrhunderts keine Rede sein,
wenngleich solche Unterhaltung für die,
die es sich leisten konnten, willkommener
Zeitvertreib war. Erst mit Richard Thode
bekam die Stadt am Tor zur Welt 1922 ein
Lichtspielhaus, das seinen Namen wirklich
verdiente. Die „Kammer-Lichtspiele“
am Alten Weg entwickelten sich schnell
zum ersten Haus am Platze, wie sich sein
Sohn Waldemar Anfang der 1990er-Jahre
im Zeitungsgespräch erinnerte.
„Nun Vorhang auf! Das Werk mag selber reden.
Und unsres Schaffens froher Herold
sein. Wir hoffen gern auf Beifall von ‚nem
jedem. Das Spiel beginne, mög‘ es euch
erfreun!“ So schwärmte die Hamburger
Konzertsängerin Ellen Haupt zur Eröffnung
in ihrem feierlichen Prolog. Doch
waren die flimmernden Bilder zu dieser
Zeit noch stumm. Thode senior hatte deshalb
ein Drei-Mann-Orchester engagiert,
das unter der Leitung von Kapellmeister
Helmbrecht den passenden Rahmen
lieferte. Die Filme von einst hatten so
klangvolle Namen wie „Mit Büchse und
Lasso“, in dem laut Ankündigung der „bedeutendste,
waghalsigste amerikanische
Cowboydarsteller“, Eddi Poto, zu sehen
war. Das Theater mit seinen 534 Plätzen
war für damalige Verhältnisse gut ausgerüstet
und Thode sorgte dafür, dass das
auch so blieb. Umbauarbeiten ermöglichten
1928 erstmalig pausenloses Spielen
mithilfe zweier Vorführmaschinen. 1931
kam der Durchbruch: Die „Kammerlichtspiele“
rüsteten, wie so viele andere, auf
Tonfilm um. Doch damit nicht genug. Das
Die bewegte
Geschichte der
Cuxhavener Kinos
Kuschel-
Kino
auf
Zweiersitzen
gestern und heute
live erleben
FOTO: ADELMANN